Freitag, 30. Oktober 2009

Himalaya-Flug


Die Tage verstreichen. Warten. Auf den Flug von Pokhara nach Kathmandu. Auf Taxis. Auf die Rückkehr der Elektrizität, die in Kathmandu jeden Tag für drei Stunden abgeschaltet wird, nach einem Plan, der anfang Monat verteilt wird. Manchmal fünf bis acht, manchmal sechs bis neun, manchmal sieben bis zehn. Dann röhren die Generatoren. Warten auf den Flug nach China. Auf dass es Zeit wird zum essen. Das gehört auch zum reisen: Zeit für Langeweile. Packen die Bergschuhe und die warmen Kleider in grosse Säcke und geben sie Kami, der sie für uns in die Schweiz spedieren wird. Und überweisen dann das Geld auf sein Konto bei der Raiffeisen-Bank in der Schweiz. Für alle Schweizer Kunden, sagt er. Ob es ein Doppelbesteuerungs-Abkommen gibt zwischen der Schweiz und Nepal? Hat wohl derzeit geringe Priorität. Wir schlagen uns den letzten Tag in Nepal mit einem weiteren Bummel durch die Marktgassen um die Ohren, liegen im Hotel-Garten. Abendessen nochmals im Everest Steak House. Das grosse Chateaubriand. Gut 30 Zentimeter lang, gut garniert. Das Rindfleisch kommt aus Kalkutta. So was wird es in China nicht mehr geben, wo alles klein gehackt wird, auf dass es zwischen die Stäbchen passe. Glück gehabt. Wir ergattern eine Reihe links im Flugzeug. Tim klebt am Fenster, ich daneben. Nach 15 Minuten kommt er in Sicht. Everest. Ein magischer Name. Eine schwarze Pyramide, messerscharfe Grate. Heute weht nicht einmal der Jetstream über den Gipfel. Der Himmel ist blau wie Kobalt. Glasklar. Weit hinunterblicken muss man nicht aus 10’000 Metern Reisehöhe, und da stehen sie alle, wie ein lange Reihe Wächter vor dem Tor zum Himmel: Cho Oyu, Lhotse, Nuptse, Makalu, Ama Dablam. Schwarze Wände, weisse Spitzen, glitzerndes Eis. Dazwischen die tiefen Täler des Solo Khumbu. Tim blickt fasziniert nach unten, irgendwann werden auch wir dort unsere Spuren ziehen. Als wollte er uns den Speck durch den Mund ziehen, dreht der Pilot einen grossen Bogen um das Everest-Massiv, den Flügel nach links gekippt. Panorama-Blick für lange Minuten, die Nordseite mit dem ewig langen Gletscher, auf dem Mallory schon 1924 entlang zog, bevor er aufstieg und verschwand. Ob er vorher oben war, wird man nie wissen, 30 Jahre vor Hillary und Tenzing. Daneben die Schwärze der Lhotse-Nordwand. 4000 Meter vertikaler Fels. So wild, dass man nicht einmal davon spricht, ihn zu durchsteigen.


Das Land wird braun und öd. Wir landen in Lhasa, weit außerhalb der Stadt. Also kein Blick auf den Potala-Palast. Chinesischer Zoll. Effizient und ruppig. Allen wird das Fieber gemessen, bei mehr als 39 Grad droht Schweinegrippe-Quarantäne. Die Zöllner interessieren sich sehr für das grosse Glas Nutella, die lange Wurst vom Metzger in Uettligen kommt ungehindert durch. Notfall-Ration für die kulinarischen Krisenzeiten, auf die wir uns einstellen. Wir steigen um in Chengdu, ein Riesenflughafen, vor 20 Jahren noch nicht mehr als ein Schuppen. Ankunft in Guiyang, der Hauptstadt der Provinz Guizhou. Das heisst “kostbare Sonne”, weil diese hier nur selten scheint. Als wir ankommen, nieselt es.

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