Sonntag, 15. November 2009

Auf der Autobahn zum Ballenberg


Wang Lu und Chen Bing sitzen in der Lobby bereit und springen wie vom Blitz getroffen auf, als sie uns sehen. Sie werden uns die nächste Woche begleiten. Lu als Guide, Bing als Fahrer. Die zwei sind ein ungleiches Paar, obschon sie, wie sie uns erzählen werden, gute Freunde sind und oft zusammen unterwegs. Lu hat ein weiches, offenes Gesicht und grosse braune Augen, die von ersten Fältchen umspielt sind. Er lacht viel, wie ein kleines Kind, das staunend die Welt entdeckt. Er ist 28, ohne Frau und ohne Kinder, und scheint aus gutem Hause zu stammen. Denn er besitzt in Guiyang eine 2-Zimmer-Wohnung für sich allein. Ein ziemlicher Luxus in China. Und er hängt viel am Handy. Dauernd, wenn man es genau nimmt. Dutzende von SMS pro Tag. Und zahllose Telefone. Hin und her. Bing dagegen ist eher verschlossen, verkniffen fast. Mürrisch ist er nicht, aber lächeln schein nicht zu seinem Repertoire zu gehören. Und wenn doch, dann wirkt es eher gequält. Er ist verheiratet und hat eine kleine Tochter. Mehr werden wir in den kommenden sechs Tagen nicht erfahren.

Es regnet in Strömen, als wir Guiyang verlassen und auf der Autobahn gegen Kaili fahren und dem ersten Dorf zustreben. Die Provinz Guizhou besteht zu 90 Prozent aus Bergen und Hügeln. Die Dörfer sind besiedelt von Minoritäten, die grösseren Städte dagegen von Han-Chinesen. Wir bewegen uns in der “autonomen Region der Miao”, eines Volkes, die ursprünglich am Oberlauf des Yangtze siedelten und danach von den Han immer weiter in den Süden getrieben wurden. In Laos und Vietnam nenn man sie Hmong. Ein stets rebellisches Volk, das sich oft gegen die Autoritäten wandte und nie bereit war, sich kulturell zu assimilieren. Doch dem Angriff des Massentourismus haben selbst die Miao nichts mehr entgegen zu setzen.


Wir sind schockiert, als wir in Xijiang ankommen. Das Dorf, malerisch an einem sanften Hügel gelegen, ist inzwischen eine offizielle Fünf-A-Tourismus-Attraktion, auf dem Parkplatz stehen die Busse in dichten Reihen. Lu erklärt uns, die Dorf-Bewohner hätten selbst beschlossen, sich vollends dem Tourismus zu öffnen, schließlich sei dies hier eine autonome Region. Gewiss. Auch Tibet ist eine autonome Region, und wie man weiss, bestimmen auch die Tibeter ganz selbständig über ihr Schicksal. Wie auch immer: Das Dort ist autofrei, das Gepäck und Besucher werden in elektrischen Golfwägelchen zum Guesthouse transportiert, chauffiert von Miao-Mädchen in ihren Trachten. Zweimal pro Tag wird eine “Cultural Show” geboten. Ethno-Zirkus auf chinesisch. Aber nur halb so gut wie Ballenberg. Den chinesischen Touristen gefällt’s trotzdem. Uns weniger.


Wir staksen eher lustlos in den Reisfeldern umher und beschliessen, am nächsten Tag weiterzufahren und nicht wie geplant zwei Tage zu bleiben, um noch ein wenig zu wandern. Nicht nur wegen dem trüben Wetter. Immer wieder stossen wir auf gigantische Baustellen, die üble Narben in das Land fräsen. Viadukte. Tunnel. Flüsse werden mit Bauschutt zugeschüttet. Der neue Express-Way von Guiyang nach Guangzhou, der Boomtown-Metropole in der Nähe Hongkongs. Und gleichzeitig wird auf ähnlichem Trasse noch einen Schnellbahn gebaut. Beide Werke werden später hinauf nach Chengdu bzw. nach Kunming weiter geführt. Und in drei Jahren soll alles fertig sein, Teil des chinesischen Infrastruktur-Pakets zur Ankurbelung der chinesischen Wirtschaft, die auch Europa und die USA aus der Krise heben könnte. Muss man dafür halt in Kauf nehmen, dass die Natur hier in einer Art und Weise vergewaltigt wird, wie ich es noch nie gesehen habe? Und man wagt sich kaum vorzustellen, was in den Dörfern abgehen wird, sobald sie per Autobahn erreichbar sind. Next Exit: Miao Cultural Scenic Area. Bitte die ausgestellten Menschen nicht berühren.

Nur: Was ist die Alternative? Wir erleben sie in den Dörfern, die noch nicht vom Tourismus berührt sind. Die Häuser zerbröseln und zerfallen, und mit ihnen die einzigartige Kultur und Tradition der Miao und der anderen ethnischen Minderheiten der Region. Auch hier wird gebaut, was das Zeug hält, aber die alten Holzhäuser werden - im Gegensatz zu Xijiang und anderen Touristenfallen - nicht durch neue Holzkonstruktionen ersetzt, sondern durch hässliche Betonklötze. Vielleicht  ist die Verwandlung in Heimatmuseen die einzige Chance, Chinas kulturelles Erbe zu bewahren angesichts der rasend schnellen Modernisierung des Landes. Denn bald werden auch in den Dörfern die modernen Neubausiedlungen stehen, die heute erst die Städte und Städtchen zieren. Mit netten kleinen Balkonen, fliessend Wasser. Strom, der nicht mehr ausfällt. Einem Abwassersystem, das nicht einer Kloake gleicht. Und die Infrastruktur funktioniert. Internetz im kleinsten Dorf. Die Stecker sprühen keine Funken, wenn man sie benutzt. Hängen nicht lose in der Wand, so dass man gar nicht daran denken will, eine Gerät anzuschließen. Das ist Fortschritt. Und für die Menschen hier ist dies der Weg aus der bitteren Armut, die sie seit Jahrhunderten gefangen hält. Wen kümmern da Gefühle und Gedanken der Luxus-Touristen aus dem Westen?


Was toll ist hier. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, die alle Sprachbarrieren überwindet. Und ein freundliches Nein wird von jedem Händler ohne weiteres als Nein akzeptiert. Das macht das Reisen entspannend. Was weniger toll ist: Die Massen von chinesischen Touristen, die jeden Ort, der noch eine Spur Charme hat, zu Tode trampeln. Der Mangel an Farben auch. Es gibt grün, braun und grau, und alles auf der jeweils dunklen Städte gelegt, der alle anderen Frequenzen blockiert. Vielleicht ist es auch nur der aschene Himmel, der seit Tagen auf dem Land lastet. Ohne die geringste Lücke. Ohne einen einzigen Strahl Sonne durchzulassen. Und die völlige Absenz von jeglicher gelebter Spiritualität. Es mag mit der Geschichte Chinas zusammen hangen, der langen Zeit der Verteufelung der Religion zu der Zeit, als die Kommunisten auch in der Praxis noch zu tun versuchten, was sie in der Theorie postulierten. Was für ein Kontrast zu Nepal, wo die Tempel voller Menschen sind und die Religion ein wichtiger Bestandteil des Lebens ist. Wenn es hier noch einen Gott gibt, glaubt man zu spüren, ist es das Geld.

So wird die Fahrt durch Guizhou für uns zu einer Fahrt durch die Widersprüche der chinesischen Gesellschaft - und gleichzeitig durch die Widersprüche unserer eigenen Vorstellungen, Wünsche und (touristischen) Bedürfnisse. “What am I doing here?” hat sich Bruce Chatwin in seinem wohl berühmtesten Roman gefragt. Er ist nie klar gekommen mit dieser Frage. Und trotzdem zog es ihn immer weiter.


Wir sind verwirrt durch diese Widersprüche wie noch nie zuvor auf unseren Reisen, wir diskutieren sie hin und her. Spannend und anregend. Also geht es uns gut. Auch körperlich. Tim ist meist fidel, liest sich durch seine Fantasy-Romane, hört sich hinten in unserem Luxus-Minivan Hörbucher auf dem Ipod an. Und er isst einigermaßen mit. Nicht zuletzt weil wir die allzu exotischen Gerichte auslassen und uns mit Fried Rice und Nudeln ernähren. Vielleicht müssten wir mutiger sein. Tim streichelt jeden Hund am Wegrand . Und das sind nicht wenige, und manche sind zuckersüß. Es gibt eine Rasse hier. China-Dorfmischung. Ein Hund, wie ein Hund sein sollte, mit Anklängen an den Wolf. Aber gossen treuen Augen. Und er nimmt mit erstaunlich geringer Reaktion zur Kenntnis, dass manche seiner Freunde letztlich an einem Marktstand am Haken landen.


Wir reisen durchs Land der Dong, einer Minderheit, die sich ihre typische Holzarchitektur bewahrt hat. Die Häuser werden ohne Eisennägel zusammengebaut, im Zentrum der Dörfer stehen Trommeltürme, unter denen die Männer abends die riesigen, an Orgelpfeifen erinnernde Bambusflöten spielen. Das dumpfe, an und abschwellende Geräusch wabert durch die gepflasterten Gassen und den Kanälen des Städtchens entlang bis zu den Wind- und Regenbrücken. Die wunderbaren Holzkonstruktionen schwingen sich elegant über Bäche und Flüsse. Und sie dienen nicht nur der Überquerung des Wasser, sondern auch als Treffpunkt und Versammlungsort.
 

Zhaoxing ist noch intakt. Noch. Doch auch hier wird viel gebaut. Gesägt. Gehämmert. Gefräst. Und oben in den Bergen wird bald der Expressway vorbei führen. Dann wird die lange Anreise über tausende von Kurven und hunderte von Schlaglöchern der Vergangenheit angehören und das Städtchen eine offizielle 5A-Touristen-Attraktion werden. Immerhin hat dies zur Folge, dass die Häuser im traditionellen Stil renoviert werden, als Vorbereitung für die Zukunft. Endlich zeigt sich die Sonne, die Frauen waschen Wäsche und ihre Haar in den Kanälen, die das Dorf durchziehen. “Venedig der Dong” wäre ein guter Slogan für die Tourismus-Strategen, welche die Region vermarkten. So wie es oben in den Bergen Yunnans ein Shangri-La und in der Gegend von Guilin ein Xanadu gibt. Beides Retorten-Orte. Die Stimmung in Zahoxing ist ruhig und friedlich, wir bleiben etwas länger, lassen uns durch die Gassen treiben, schauen den Männern unter den Trommeltürmen beim Kartenspiel zu, wandern durch die Reisterrassen zum nächsten Dorf.


Überall, wo wir hinkommen, werden wir mit grosser Herzlichkeit und offenen Armen empfangen. Von der abweisenden, rauen Art der Chinesen, von er oft berichtet wird, spüren wir nichts. Im Gegenteil: die Menschen gehen manchmal laut, aber irgendwie behutsam miteinander um, die Hektik und Aggressivität, wie sie zuweilen in Indien zu spüren ist - trotz aller Spiritualität -,  erleben wir nicht. Wir trudeln mit unserem Minivan über Land, besuchen Schulen, wo Tim sofort aufgenommen wird und sich in die erste Reihe setzen kann. Immer wieder steht er im Zentrum der Aufmerksamkeit, ohne dass die Begegnungen aber zu aufdringlich werden. Und selbst die Begehren von Dutzenden von Touristinnen, mit dem süssen blonden Buben auf einem Foto zu sein, lässt er mit stoischer Geduld und einem - zuweilen etwas gequälten - Lächeln über sich ergehen.


Mitten auf dem Land geraten wir in einen Stau. Am Strassenrand sind Dutzende Lastwagen parkiert. Motorräder quälen sich durch die Lücken. Es gibt kein Durchkommen. Wir steigen aus und bemerken, dass wir Glück haben. Rein zufällig sind wir an einen Stierkampf geraten, eines der vielen Feste der Dong. Dieses findet jeweils nach der Reisernte statt. Also jetzt. Tausende von Männern und Frauen haben sich an den Hängen aufgereiht, fast alle tragen ihre traditionellen Kleider: Schwarzen Turban die Männer, eine Art Faltenrock aus mit Indigo gefärbtem Stoff die Frauen, darunter schwarze Leggins, wie wir sagen würden. Die Haare sind geölt und zu kunstvollen Knoten geflochten, und um den Hals ringelt sich schwerer Silber-Schmuck. Die Szenerie erinnert an ein Amphitheater, die Stimmung ist aufgeregt, die einzelnen Clans lassen farbigen Fahnen flattern und trommeln um die Wette, als würden sie gleich gegeneinander in den Kampf ziehen.


Unten in der kleinen Ebene ist die Arena für den Kampf, und wir gehen ganz nahe heran. Bis wir merken, dass das keine gute Idee ist. Zwei gigantische Wasserbüffel sind mit den Hörnern ineinander verkeilt. Stossen, drängen. Legen ihr ganzes Gewicht in den Nacken, um den Gegner umzuwerfen. Uns wird gewahr, dass Flucht kaum möglich ist, sollte einer ausbrechen und durch den Schlamm auf uns zustieben. Wir bringen uns auf einer Mauer in Sicherheit. Gerade rechtzeitig. Einer der Büffel gibt nach und rast davon, die Menge der Zuschauer schiesst in Panik auseinander, einige stürzen in den braunen Matsch, die Massen an de Hängen johlen. Es geht darum, dass einer der Büffel den anderen in die Knie zwingt oder ihm eine Verletzung beibringt. Und der Besitzer des Siegers - klar - erhält Ehre, Ruhm und etwas Geld. Und es geht ums sehen und gesehen werden. Ums kennen lerne. Ums flirten. Die Traditionen der Dong scheinen zu leben, auch wenn sich ihre Umgebung rasend schnell verändert. Immerhin.


Auch das “alte” China, das bukolische, ländliche China findet man noch, wenn man gut hinschaut. Das China unserer Träume und Klischees, in dem sich die Wasserräder langsam drehen, die Gänse durch die Reisfelder wackeln, bewacht von alten Männern mit konischen Strohhüten. Und im Hintergrund schneiden Frauen mit der Sichel die goldgelben Garben. Das China der Kulturrevolution, als Chairman Mao die intellektuellen Städter aufs Land schickte, um sie von den “unteren und mittleren Bauern” umerziehen zu lassen.  Als die europäischen Linken, das rote Büchlein in der Hand, bei uns auf die Strasse gingen und diesen absurden Mist auch noch gut fanden. Tempi passati. Zum Glück für uns. Zum Glück vor allem für die Chinesen.


In Chengyang findet man Szenen noch, welche solche Gedanken wach rufen. Bei der Wind- und Regenbrücke, der schönsten und grössten der Region. Aber nur, wenn man sich verrenkt und den Zoom-Ausschnitt entsprechend wählt. Dreht man das Objektiv auf Weitwinkel, kommt wieder die neue chinesische Realität ins Bild. Preisausschreiben: Von welchem Ort in China ist es möglich, ins Land zu blicken, ohne zumindest einen der folgenden Gegenstände zu erblicken:


a) Bulldozer
b) Erosionsnarbe von soeben fertig gestellter Strasse
c) Lastwagen mit Baumaterial

Der Sieger gewinnt einen nigelnagelneuen Betonmischer. Und als Trostpreis winken 1000 Staubschutzmasken.



Doch Chengyang ist gemütlich, die Sonne scheint, wir entdecken Grandma’s Guesthouse, soeben fertig gestellt. Die Zimmer riechen nach frischem Fichtenholz. Die Dielen knarren unter jedem Schritt. Von der Veranda blickt man auf die Reisfelder. Am Fluss reiht sich ein Dorf ans andere, wie hölzerne Perlen an einer Silberschnur. Zeit zu bleiben. Zum spazieren, lesen und schreiben. Grandma’s Besitzerin spricht englisch, denn sie hat lange in einem Hotel in Sanjiang gearbeitet. Das tut gut, denn so erfährt man wenigstens etwas ganz weniges über das Leben hier. Das ist hart in China: Die Sprachbarriere verhindert die Kommunikation. Und so bleiben einem die Geschichten aus dem Leben der Menschen, die hier leben, ein zentrales Element jeder Reise, weitgehend verschlossen.

In Chengyang wechseln wir unser Team von Fahrer und Guide. Lu und Bing fahren zurück nach Guiyang. 16 Stunden am Stück haben sie vor sich. Und am Abend treffen Mr. Feng und Mr. Wang ein. Feng gleicht einer Eule, die verschlafen auf einem Ast sitzt und ab und zu eine Weisheit zum besten gibt. Ein lieber Kerl, aber etwas verschroben, ruhig, bedächtig, als müsste er jedes mal genau überlegen, ob er das nächste Wort noch anfügen will oder nicht. Er spricht deutsch, ziemlich gut sogar. Das freut Tim, dem wir nicht mehr alles übersetzen müssen, was wir zu wenig oft taten. Wir kommen gut miteinander zurecht, nachdem wir ihm erklärt haben, dass wir nicht primär darauf aus sind, 5A-Attraktionen abzuklappern.


Trotzdem steht uns noch eine bevor, um die man kaum herumkommt an unserer Route: die Reisterrassen von Longji, das Rückgrat des Drachen, wie sie hier heissen, wo alles einen poetischen Namen bekommt. Die Terrassen ziehen sich die steilen Hänge empor, jeder Quadratmeter Boden wird intensiv benutzt. Das Meisterwerk landwirtschaftlicher Architektur wurde vor rund 400 Jahren begonnen, heute schaffen es die Felder um Ping’an und Dazhai problemlos in die Top Ten der globalen Touristenfallen. Vom Parkplatz aus wälzt sich ein endloser Menschenstrom zum Viewpoint Number One. Manche lassen sich die Stufen auf Sänften hinauftragen, am Wegesrand gibt es keinen Meter, der nicht von Souvenir-Buden in Beschlag genommen ist. Am Viewpoint herrscht Gedränge und Geschnatter. Die lokale Ethnie hier sind die Yao, und natürlich kann man sich mit wunderbar herausgeputzten Yao-Trachten-Mädchen vor den Reisfeldern ablichten lassen. Wen kümmert’s, dass der Schmuck aus Blech ist, die Kleider aus Synthetik? Nebenan brummt der Generator, der Computer und Drucker betreibt. Fünf Minuten später hält man das Erinnerungsbild ausgehändigt. Laminiert. Das ist gut so, denn auch hier ist das Wetter trüb und nass.


Der Blick wäre in dieser Jahreszeit auch nicht derart spektakulär wie im Sommer, wo das Wasser in den Feldern liegt, oder vor der Ernte Anfang Oktober, wo sich Goldregen über die Hänge ergießt. Die Felder sind abgeerntet und sind voller brauner Stummel. Falsches Timing. Wir wandern eine Stunde zum Viewpoint Number Two, der weiter oben liegt. Zum Glück sind die meisten Chinesen lauffaul, denn hier oben ist es menschenleer, die Sicht viel besser. Unterwegs begegnen uns rosa gekleidete Yao-Mädchen, Postkarten stets griffbereit in den Händen. Sie zeichnen sich durch ihre langen schwarzen Haare aus. Je länger, desto schöner. Nur sind sie in der Regel unter einem Tuch verborgen. Klar: Alles ist eine Frage des Preises. “Long Hair - 10 Yuan”, schleudern uns die Frauen unsausweichlich entgegen und lupfen verführerisch ein klein wenig das Tuch, unter dem es schwarz schimmert. Long Hair Peep Show im Reisfeld? Table Dance im Yao-Dorf? Ich lasse es bleiben, deute auf meinen Schädel und ziehe das Käppi aus: “Short Hair, 20 Yuan”. Der Spruch kommt nicht gut an.

Wir haben den Rummel langsam satt und drängen auf die Weiterreise. Auf die Schiffahrt auf dem Li River von Guilin nach Yangshuo (5A) verzichten wir, versichern dem sichtlich enttäuschten Mr. Feng aber, dass wir sie später gewiss nachholen würden. Die Berge geben einer Ebene Raum, wir fahren auf der Autobahn, die bis an die vietnamesische Grenze führt, durch einen Wald von Karstkegeln nach Yangshuo. Hier werden wir zehn Tage Pause machen im Outside Inn, einem Guesthouse außerhalb des Städtchens, das von einer Schweizerin und einem Engländer geführt wird. Wir freuen uns.

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